Wesentlich mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs
Unverkennbar sind in den letzten Wochen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie auch in Saarbrücken wesentlich mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs. Die Fahrradgeschäfte der Landeshauptstadt haben deshalb Hochkonjunktur. Die neuen Radfahrerinnen und Radfahrer stoßen allerdings auf ein nach wie vor sehr lückenhaftes Radwegenetz. Mehrere Umwelt- und Verkehrsgruppen haben deshalb gemeinsam die Forderung erhoben, zum Schließen dieser Lücken sogenannte Pop-up-Bikelanes, also temporär angelegte Radwege, einzurichten.
Ronald Maltha vom BUND Saarbrücken nennt hier als Beispiel neue Radspuren, die in den letzten Wochen in Berlin auf den Strassen zusätzlich eingerichtet wurden. Auch in München soll auf fünf größeren Straßen jeweils eine Autospur zukünftig für Radfahrer reserviert werden. Darüber entscheidet nun der Stadtrat. Flensburg macht es schon, Koblenz plant es.
„Der Radverkehr ist ideal, um schnell und sicher, auch coronasicher, unterwegs zu sein. Dafür muss aber auch Platz geschaffen werden. Der dafür notwendige Raum wird durch die Umwandlung von Fahrspuren oder Parkbuchten an den Straßenrändern gewonnen. Wo nötig, werden Verkehrsschilder für den ruhenden Verkehr abgedeckt und die neuen Fahrspuren für Radfahrer mit rot-weißen Baken gegen Falschparker gesichert. So wird Radfahren in der Stadt deutlich attraktiver und sicherer“, so Maltha.
Trotz fehlenden Präsenzbetriebs an den Saarbrücker Hochschulen ist eine coronabedingte Verkehrswende hin zu insbesondere mehr Radverkehr unerlässlich. So ist etwa die Situation am Meerwiesertalweg für viele Studierende ein Grund dafür, das Fahrrad zu Hause stehen zu lassen. Die Students for Future Gruppe an der Saar fordert eine klare Verkehrsführung und einen Ausbau der Fahrradwege zur Universität und zwischen den verschiedenen Hochschulstandorten. Ein Radschnellweg, der Völklingen, das Zentrum von Saarbrücken, die Universität und St. Ingbert verbindet, wäre ein erster Schritt, um eine umfassende Anbindung der Universität zu schaffen, welche es vielen Studierenden aus der Region ermöglichen würde, auf das Verkehrsmittel Fahrrad umzusteigen. „Auch wenn momentan keine Vorlesungen stattfinden, geht für viele Studierende der Uni-Alltag weiter. Sie sind weiterhin auf die Bibliotheken angewiesen oder leisten an den Universitäten Laborpraktika ab“, sagt Lara Wörner von Students for Future Saar. Für ihre Gruppe stelle die jetzige Situation eine Chance dar, die Autostadt Saarbrücken fahrradfreundlicher zu gestalten.
Bei der Wiederbelebung der Städte in der zweiten Phase der SARS-CoV-2-Pandemie drohe Saarbrücken eine Stau-Welle von bisher ungeahntem Ausmaß, befürchtet der Fahrradclub ADFC. „Weil Bus und Bahn wegen der Corona-Abstandsregeln noch lange nicht mit voller Auslastung fahren können, werden viele bisherige ÖPNV-Nutzer auf das Auto umsteigen, wenn nicht schnell attraktive Alternativen geschaffen werden“, prognostiziert ADFC-Sprecher Thomas Fläschner. Der ADFC fordert die Stadtverwaltung deshalb auf, ein Schnellbauprogramm zur Schließung der Lücken im Saarbrücker Radwegenetz und zudem verkehrsberuhigende Maßnahmen zu initiieren. Als Beispiele benennt Fläschner die Heuduckstraße in Alt-Saarbrücken, die Saargemünder Straße in St. Arnual und die Hochstraße in Burbach. Im Klimapaket der Bundesregierung stünden dafür auch passend große Summen bereit.
In der aktuellen Lage fordert auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD), den Raum für Improvisation und Experimente, den die Straßenverordnung zulässt, auch zu nutzen. Neben temporären Radverkehrsanlagen könnten das auch Maßnahmen sein, um den erforderlichen Mindestüberholabstand von 1,50m ins Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer zu rücken.
Mit ihrem Forderungskatalog unterstützen die Saarbrücker Gruppen einen bundesweiten „Aktionstag Popup-Radspuren“ am 23. Mai, bei dem in mehr als 40 Städten – darunter Frankfurt, Dresden, Wiesbaden und Nürnberg – Rad-Engagierte ebensolche Popup-Radspuren errichten. Bei den angemeldeten Veranstaltungen wird eine Fahrspur mit Hütchen, Pollern oder auch Blumentöpfen so vom Autoverkehr abgetrennt, dass sich dort alle auf dem Rad wohlfühlen – routinierte Radfahrerinnen und Radfahrer genauso wie Neuaufsteiger, Kinder und ältere Menschen.
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red.zbs / mp