Bemerkenswerte Aktionen rund um das Spiel gegen den TuS Herrensohr.
„Wir können den Wind nicht ändern. Aber wir können die Segel richtig setzen.“ Hat der antike Philosoph Aristoteles vor mehr als 2500 Jahren gesagt. Ein wahres Wort mit hoher Aktualität! Wie sehr der Wind vielen Klubs in Zeiten des Turbokapitalismus ins Gesicht bläst, hat der Fußballhistoriker Hardy Grüne bei seinem Vortrag im Ellenfeld vor zehn Tagen ausführlich erläutert und auch Lösungen angedeutet. Die Segel richtig setzen – dazu gehört die Schaffung von Identität. Man bringt sich persönlich in den Verein ein, erfüllt sich auf diese Weise das Bedürfnis nach Begegnungen, gemeinsamen Erfahrungen und Werten. Regionaler Halt in einer globalisierten Welt. Nur was für Fußball-Romantiker? Beileibe nicht. Im Ellenfeld konnte man am vergangenen Sonntag im Ansatz spüren, was damit gemeint sein könnte. Es bewegt sich was bei Borussia.
Es ging schon früh am Morgen los. Gegen 9.15 Uhr ploppte auf dem Smartphone von Jörg Eisenhuth, dem kooptierten Aufsichtsratsmitglied der Borussia, eine Whatsapp-Nachricht auf: Hilfe war gefragt! Nach den Schneefällen vom Tag zuvor galt es, den Rasen des Stadions von der weißen Pracht zu befreien. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Kurz nach 10 Uhr waren etwa zwanzig Borussen-Fans im noch vom Nebel durchwaberten Stadion erschienen. Bewaffnet mit Schaufeln gingen sie ans Werk, zwei Stunden später war der Platz frei. „Dass wir heute hier das Spitzenspiel gegen Herrensohr überhaupt sehen konnten, ist den Fans und Helfern zu verdanken. Deshalb im Namen der Mannschaft herzlichen Dank an alle Beteiligten. Die Aktion zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Es geht nur mit Euch zusammen – wir sind stolz auf Euch“, lautete die Botschaft des noch verletzten Yannick Bach. Auch Martin Bach war beeindruckt: „Besser kann man Identifikation nicht demonstrieren!“
Vor dem Spiel hatten auf Einladung des Vorstandes zahlreiche treue Sponsoren den Weg ins Borussia-Heim gefunden. Auch ehemalige Borussen-Legenden aus Bundesliga und Zweitliga-Zeiten waren gekommen. Ob Willi Ertz, Günther Kuntz, Günter Schröder, Heinz Histing oder Hans-Werner Eichhorn – sie alle gingen zunächst per DVD auf eine Zeitreise durch die glorreichen 60er und 70er Jahre. Dabei trieben dem einen oder anderen die Erinnerungen an die guten alten Tage ein paar Tränen in die Augen. Nach dem Ausflug in die Vergangenheit richtete Präsident Martin Bach in seiner Begrüßung den Blick nach vorne und skizzierte kurzfristige und langfristige Ziele des Vereins: Sportlicher Erfolg, Rückkehr in die Oberliga, Verbesserung des Images, Weiterentwicklung der Borussia. „Wir arbeiten mit voller Kraft daran, Borussia wieder zu einer guten Adresse für Sponsoren zu machen. Unser Ziel ist es, dass sich die Neunkircher wieder mit der Borussia identifizieren und das Ellenfeld wieder zu einem Magnet für die Fußballfreunde im Saarland wird“, so Martin Bach, der die Sponsoren einlud, „die Borussia auf diesem Weg zu begleiten und Teil des Erfolges zu werden, für den wir alle hart arbeiten.“
Borussias Vorstand würdigte das Ellenfeld-Stadion als „Alleinstellungsmerkmal für Verein und Stadt“. Zweifellos herrsche ein wenig Enttäuschung über die Entscheidung des 1. FC Saarbrücken, im Falle des Aufstiegs in die 3. Liga in Völklingen zu spielen. „Wir haben von Vereinsseite von Beginn an erkannt, welche Chancen sich für Verein, Stadt und Ellenfeld-Stadion bei einem mehrjährigen Gastspiel des 1. FC Saarbrücken bieten. Deshalb haben wir unter Federführung von Dr. Jens Kelm alles gegeben, um das Projekt in Zusammenarbeit mit dem 1.FCS zu verwirklichen, hätten uns allerdings insgesamt etwas mehr Unterstützung gewünscht“, stellte Martin Bach heraus, der von einer „Willkommenskultur“ sprach, die im Endeffekt aus Sicht des 1.FCS wohl eher für Völklingen als für Neunkirchen gesprochen habe. Dennoch zog Aufsichtsratsvorsitzender Gerd Müller ein positives Fazit: „Wir wissen jetzt sehr viel mehr über unser Stadion. Gutachten von Statikern und Bauingenieuren sind Beleg dafür, dass der Zustand des Ellenfeld-Stadions sehr viel besser ist als angenommen und es bis dato von vermeintlichen Insidern immer wieder kolportiert wurde.“
Davon, dass das Ellenfeld-Stadion nach wie vor eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Fußballfreunde aus der Republik und darüber hinaus ausübt, zeugten fünf Groundhopper aus Berlin. Die Fans von Union hatten am Freitagabend das Spiel ihrer Mannschaft auf dem Kaiserslauterer Betzenberg besucht und wollten sich die einzigartige Atmosphäre in dem einzig noch verbliebenen Stadion aus den Gründerjahren der Bundesliga nicht entgehen lassen. Sie waren nicht nur begeistert von der unvergleichlichen Stimmung, sondern auch von der ihnen entgegengebrachten Gastfreundschaft: „Dafür habt Ihr bei uns einen gut, wenn Ihr mal nach Berlin kommt“, hieß es beim Abschied.
Als weiteres Highlight erwies sich der A-Klasse-Mercedes mit Original-Unterschiften der WM-Teilnehmer von 2006 und einiger Weltmeister von 2014. Das von Kurt Fritz, dem Inhaber von Kurt´s Reifenshop, dem Verein zur Verfügung gestellte Fahrzeug wird dank der Unterstützung des Ex-Borussen und jetzigen U21-Nationaltrainers Stefan Kuntz nun auch von den aktuellen Nationalspielern signiert werden. Hierzu wird eine Delegation der Borussia Ende März nach Düsseldorf reisen, wo sich die deutsche Elf auf das Länderspiel gegen Spanien vorbereitet. Danach wird das Fahrzeug auf einer Bieter-Plattform versteigert.
Nach dem Spiel gegen Herrensohr fand erstmals in der Karlsberg Liga Saar wieder eine Presse-Konferenz im gut besuchten VIP-Raum statt. Die Pizzeria „Da Antonietta“ aus Wellesweiler hatte für die Gäste ein leckeres italienisches Büffet zusammengestellt – Borussia bedankt sich herzlich bei Inhaberin Antonietta Bruna! Ein großer Dank geht auch an Benedikt Schäfer von der Firma C+C Boxberg, der der Mannschaft im Falle des Aufstiegs die Einladung zu einem Event in Aussicht gestellt hat.
Auf Trainer Björn Klos und seine Jungs wartete im Anschluss noch eine Überraschung: Ibrahim „Ibi“ Özdemir, als früherer Jugendspieler Borussias mit Leib und Seele bei der Sache und seit dieser Saison Schiedsrichterbetreuer im Ellenfeld, überreichte zusammen mit Uli Horbach im Namen der Borussia-Fans zur Motivation für die restliche Runde ein Bild mit einem Motiv des amerikanischen Pop-art-Künstlers Keith Haring, das passender an diesem Tag nicht sein konnte, stellt es doch mit seinen elf miteinander verbundenen Fußballern genau das dar, was sich Björn Klos und seine Jungs auf die Fahnen geschrieben und zuvor in den 90 Minuten beim Sieg gegen Herrensohr auf den Platz gebracht haben: Teamgeist und mannschaftliche Geschlossenheit – Erfolgsgaranten, die sich auch in Borussias Hymne wiederfinden, wo es heißt: „Go Borussia, zusammen steh´n und Siege seh´n.“
Dieses Motto galt am Abend nicht für Borussias Frauen: Im Spitzenspiel der Bezirksliga Südost auf dem Kunstrasenplatz gegen den Titelfavoriten FC Beckingen hatten die Gäste das bessere Ende für sich und nahmen gegen tapfer kämpfende Borussinnen mit 2:1 die Punkte mit. Doch das war nur ein kleiner Wermutstropfen an einem für Borussia insgesamt erfreulichen Sonntag mit einem wichtigen Signal: Rund um das Ellenfeld ist eine Aufbruchstimmung unverkennbar. Borussia kann den Wind nicht verändern. Aber Borussia ist dabei, die Segel richtig zu setzen. Dem alten Aristoteles und Hardy Grüne hätte das, was am Sonntag im Ellenfeld passierte, sicher gefallen.
text/foto.Jo Frisch
red.zbs