Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert jetzt höhere Löhne.
Von Oskar Lafontaine / Linke im Landtag
Bravo! „Wir haben erheblichen Nachholbedarf bei den Einkommen“, sagte er in einem Interview.
Die enormen wirtschaftlichen Gewinne, die in Deutschland erzielt würden, hätten die Erwerbstätigen erarbeitet. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Gewinne der Unternehmen allerdings deutlich stärker gewachsen als die Löhne der Beschäftigten. „Das sollten die Tarifpartner bei ihren nächsten Verhandlungen berücksichtigen.“
Schulz macht es sich zu einfach, wenn er die Aufgabe, höhere Löhne durchzusetzen, den Tarifpartnern zuweist. Warum haben wir keinen Mindestlohn wie in Frankreich (9,67 Euro pro Stunde, in Deutschland 8,84 Euro)? Die SPD ist für dieses schlechte Gesetz verantwortlich.
Warum sind die Löhne in Deutschland seit Jahren weniger gestiegen als in anderen Industriestaaten? Wegen der Agenda 2010! Die sogenannte Zumutbarkeitsklausel verpflichtet Arbeitslose, eine Arbeit anzunehmen, unabhängig von ihrer Qualifikation und der Bezahlung. Das war früher anders. Wir können im Bundestag sofort die alte Zumutbarkeitsklausel wiederherstellen. Das ist eine Forderung des leider verstorbenen SPD-Sozialpolitikers und langjährigen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) Ottmar Schreiner.
Die enorme Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, insbesondere die Möglichkeit sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen, hat die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften enorm geschwächt. Verantwortlich: die SPD! Im Bundestag kann sofort das Gesetz, das sachgrundlose Befristungen zulässt, gestrichen werden.
Wenn Schulz eine Chance haben will, muss er sich von der Agenda 2010 verabschieden. Sie ist eine Anleitung zur Lohndrückerei, zur Rentenkürzung und zur Kürzung von sozialen Leistungen. Wann begreift die SPD das endlich.
Der „Spiegel“ nannte den SPD-Kanzlerkandidaten schon „Sankt Martin“. Wunderbar. Nur: Der heilige Martin hat dem Frierenden die Hälfte seines Mantels gegeben, nicht nur warme Worte.