Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fassen folgenden Beschluss.
Nachdem es Deutschland in international beachteter Weise gelungen ist, die Neuinfektionszahlen durch das SARS-Cov2-Virus zu reduzieren, haben die Länder auf der Grundlage des gemeinsamen Beschlusses mit der Bundeskanzlerin seit dem 20. April schrittweise erste Öffnungsmaßnahmen umgesetzt.
Es ist noch zu früh, um anhand der gemeldeten Neuinfektionen beurteilen zu können, ob sich diese Öffnungsmaßnahmen trotz der Hygieneauflagen verstärkend auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt haben. Diese Beurteilung und die damit verbundene Entscheidung, ob ein weiterer größerer Öffnungsschritt möglich ist, soll am 6. Mai in einer weiteren Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder erfolgen.
Bund und Länder arbeiten während dessen weiter intensiv daran, das Infektionsgeschehen durch ein breites Maßnahmenbündel so gut wie möglich zu kontrollieren und das Gesundheitswesen zu stärken. Nur mit einer erfolgreichen Infektionskontrolle und konstant niedrigen Neuinfiziertenzahlen kann dauerhaft erreicht werden, dass die Öffnungen Bestand haben und keine Rückkehr zu deutschlandweiten Beschränkungen erforderlich wird.
Zugleich werden Wirtschaftshilfen und sozialen Leistungen auf den Weg gebracht, um die negativen Folgen der Krise abzumildern.
Bund und Länder wägen bei allen Entscheidungen deren Wirkung in gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht sorgfältig gegeneinander ab. Die ständig zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über dieses neuartige Virus und viele interdisziplinäre Expertenmeinungen fließen dabei in die Entscheidungsfindung ein. Die Verantwortung für die Entscheidungen liegt bei Bund und Ländern, für die angesichts des Umstandes, dass es sich um eine Situation ohne Beispiel mit vielen noch schwer abschätzbaren Risiken handelt, ein vorsichtiges Vorgehen in regelmäßigen Schritten und ein besonders strenger Maßstab für vorübergehend notwendige Grundrechtseinschränkungen das leitende Prinzip für verantwortbares Handeln ist.
Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder:
1. Die gemeinsamen Beschlüsse sowie die begleitenden ChefBK/CdS-Beschlüsse sowie die Entscheidungen des Corona-Kabinetts bleiben gültig, soweit im Folgenden nicht abweichende Festlegungen getroffen werden.
2. Wesentliches Element der Infektionskontrolle ist die vollständige Kontaktnachverfolgung bei allen Neuinfizierten. Wenn die Kontaktnachverfolgung nicht gelingen würde, bestünde die große Gefahr, dass eine neue Infektionsdynamik entsteht. Deshalb bauen die Länder lageangepasst erhebliche Personalkapazitäten (ein Team aus 5 Personen je 20.000 Einwohner) auf. Seit dem 24. April melden alle Gesundheitsämter über die zuständigen Landesbehörden an das Robert-Koch-Institut, ob die vollständige Kontaktnachverfolgung gewährleistet, gefährdet oder bereits aktuell nicht mehr möglich ist. Dies ermöglicht den Ländern, diese Kapazitäten bei besonders betroffenen Gesundheitsdiensten sofort aufzustocken und vom Bund die dort aufgebauten Kontaktnachverfolgungsteams von RKI, Bundeswehr und aus dem Medizinstudenten-Programm „Medis4ÖGD“ anzufordern. Die möglichst vollständige Kontaktnachverfolgung ist die Grundvoraussetzung für weitere Öffnungsschritte und ein wichtiger Maßstab für die Bewertung der Frage, welche Neuinfiziertenzahlen im mehrtätigen Mittel toleriert werden können.
3. Die bisherige epidemiologische Entwicklung in Deutschland hat gezeigt, dass es durch lokale Ereignisse immer wieder zu besonderen regionalen Betroffenheiten bei der Ausbreitung des SARS-Cov2-Virus kommt. Deshalb bereiten Bund und Länder weiter schnell abrufbare Unterstützungsmaßnahmen für besonders betroffene Gebiete vor und stimmen sich dabei zwischen den Krisenstäben von Bund und Ländern weiter eng ab. Wenn die deutschlandweit erzielten Erfolge in der Verlangsamung des Infektionsgeschehens nicht gefährdet werden sollen, muss auf eine regionale Dynamik mit hohen Neuinfektionszahlen und schnellem Anstieg der Infektionsrate sofort reagiert werden. Dazu gehört auch, dass die umfassenden Beschränkungen, die vor dem 20. April gültig waren, vor Ort sofort wieder konsequent eingeführt werden müssen. Darüber hinaus können auch Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus im Einzelfall geboten sein. Wenn es erneut zu einer überregionalen Infektionsdynamik kommt, die eine Überforderung des Gesundheitssystems befürchten lässt, müssen die Beschränkungen auch in allen Ländern ganz oder teilweise wieder eingeführt werden.
4. Am 13. März 2020 haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder die Kliniken in Deutschland aufgefordert, ab dem 16. März 2020 alle medizinisch nicht zwingend notwendigen planbaren Aufnahmen und Operationen zu verschieben, um sich auf die nicht vorhersehbare Zahl von COVID-19-Erkrankten frühzeitig vorzubereiten und intensivmedizinische Kapazitäten vorzuhalten sowie aus- und aufzubauen. Aktuell werden etwa 40 Prozent der Intensivbetten – bei finanziellem Ausgleich – freigehalten. Die aktuelle Entwicklung der COVID-19-Infektionszahlen und die präzise Übersicht, die durch das DIVI-IntensivRegister ermöglicht wurde, lässt es nun zu, dass ein etwas größerer Teil der Krankenhauskapazitäten wieder für planbare Operationen genutzt werden kann. Dies ist auch deswegen geboten, weil sich eine dauerhafte ausschließliche Priorisierung nur einer bestimmten Patientengruppe unter Ausschluss anderer Gruppen von Erkrankten nicht rechtfertigen lässt. Gleichzeitig sollen ausreichend COVID-19-Behandlungskapazitäten freigehalten und an die jeweilige Pandemieentwicklung angepasst werden. Für die Umsetzung hat der Bund ein kriterienbasiertes Konzept vorgelegt, unter dessen Berücksichtigung die Länder ab sofort die regionale Steuerung unter Beachtung der regionalen Besonderheiten vornehmen können. Das DIVI-IntensivRegister zur Steuerung der Intensivkapazitäten in Deutschland wird aktuell zu einem Tool weiterentwickelt, das anhand bekannter Parameter eine Prognose für den COVID-19-bedingten Bedarf an Intensivbetten bundesweit und regional für die nächsten zwei Wochen vorhersagt. Dieses Tool wird vom Bundesministerium für Gesundheit weiter gefördert und im laufenden Betrieb beständig weiter verbessert und ausgebaut.
5. Großveranstaltungen wie z.B. Volksfeste, größere Sportveranstaltungen mit Zuschauern, größere Konzerte, Festivals, Dorf-, Stadt-, Straßen-, Wein-, Schützenfeste oder Kirmes-Veranstaltungen sind derzeit untersagt. Wegen der immer noch gegebenen Unsicherheit des Infektionsgeschehens ist davon auszugehen, dass dies auch mindestens bis zum 31. August so bleiben wird. Ab wann und unter welchen Bedingungen kleinere öffentliche oder private Veranstaltungen oder Feiern sowie Veranstaltungen ohne Festcharakter künftig stattfinden können, ist derzeit aufgrund der in diesem Bereich besonders hohen Infektionsgefahr noch nicht abzusehen und abhängig vom weiteren epidemiologischen Verlauf.
6. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen ihren Dank an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die mit dem notwendigen Verzicht auf die öffentliche Durchführung von Gottesdiensten und Gebetsveranstaltungen trotz hoher Feiertage in den vergangenen Wochen einen wichtigen Beitrag geleistet haben, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die jetzt auch durch diese Maßnahmen erreichten Erfolge lassen daher eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen zu. Auch aufgrund des besonderen Schutzes der Freiheit der Religionsausübung im Grundgesetz ist es im Zuge der
Überprüfung der beschränkenden Maßnahmen geboten, Versammlungen zur Religionsausübung wieder zu ermöglichen, soweit bei ihrer Durchführung den besonderen Anforderungen des Infektionsschutzes Rechnung getragen wird.
Vor dem Hintergrund des partnerschaftlichen Verhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaften in Deutschland haben Länder und Bundesinnenminister mit den Kirchen und großen Religionsgemeinschaften deren umfassende Konzepte für die Durchführung von Gottesdiensten und religiösen Handlungen unter Beachtung des Infektionsschutzes vorbesprochen und hieraus eine Übersicht hinsichtlich der von den Kirchen und Religionsgemeinschaften vorgesehenen Maßnahmen erstellt.
Versammlungen zur Religionsausübung (Gottesdienste und Gebetsveranstaltungen) sollen fortan wieder stattfinden können. Für Weltanschauungsgemeinschaften gelten die Ausführungen entsprechend. Die Einzelheiten regeln die Länder.
7. Spielplätze können mit Auflagen wieder geöffnet werden, um Familien neben Grünanlagen und Parks zusätzliche Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum zu bieten.
8. Unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen können folgende Kultureinrichtungen wieder geöffnet werden:
a. Museen, Ausstellungen und Galerien
b. Gedenkstätten, sowie
c. zoologische und botanische Gärten.
Voraussetzung ist, insbesondere bei kleinen und historischen Gebäuden, dass diese Auflagen räumlich und personell umgesetzt werden können. Die Beauftragte für Kultur und Medien wird gebeten, kurzfristig ein Förderprogramm in Höhe von zunächst 10 Mio. € für corona-bedingte Umbaumaßnahmen in kleinen und mittleren Museen aufzulegen.
9. Der Chef des Bundeskanzleramts und die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien werden beauftragt, auf der Grundlage der Empfehlungen der jeweiligen Fachministerkonferenzen Beschlussvorschläge für den 6. Mai zur schrittweisen weiteren Öffnung von Schulen, zur weiteren Öffnung von
Kinderbetreuungsangeboten und zur schrittweisen Wiederaufnahme des Sportbetriebes zu erarbeiten.
10. Die zuständigen Fachministerkonferenzen werden beauftragt, bis zu der auf den 6. Mai folgenden Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder Vorschläge für Rahmenbedingungen schrittweiser Öffnungen von Gastronomie- und Tourismusangeboten und für die weiteren Kultureinrichtungen vorzubereiten.
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