Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
ich wende mich mit diesem Schreiben an Sie, da ich mir größte Sorgen um den Ein-zelhandel und damit verbunden um unsere Innenstädte mache.
Der Druck wird auf den innerstädtischen Einzelhandel, der zu liebens- und lebens-werten Städten beiträgt, ohnehin immer größer und gewinnt durch die Pandemie zu-sätzlich an Geschwindigkeit.
Während Discounter und SB-Warenhäuser dicke Gewinne einfahren, müssen die Einzelhändler vor Ort, die um ihre Existenz bangen, sehenden Auges dabei zusehen, wie die großen Lebensmittelakteure deren Waren verkaufen.
Die Bedingungen im Handel während der Pandemie empfinde ich derzeit als unge-recht und unfair, daher wende ich mich an Sie: Ich fordere „Gleiches Recht für Alle“!
Die aktuellen Vorschriften zur Eindämmung der Corona Pandemie sehen die Schlie-ßung des Einzelhandels – bis mindestens Ende Januar – als notwendig an.
Dass hierbei der Gesundheitsschutz der Bevölkerung oberste Priorität hat, und Ab-wägungsgebote erforderlich sind, steht auch für mich außer Frage.
Was ich als Bürgermeister einer saarländischen Kreisstadt mit rund 30.000 Einwoh-nern jedoch nicht mittragen kann, ist die Tatsache, dass große SB-Warenhäuser und Discounter (die ohnehin Gewinner der Pandemie sind) neben den Dingen des tägli-chen Bedarfs auch weiterhin innenstadtrelevante Waren (wie beispielsweise Klei-dung, Schuhe, Spielwaren und Schmuck) verkaufen dürfen, während die Geschäfte in der Innenstadt schließen müssen.
Was soll ich beispielsweise einem Schmuckhändler sagen, der sein Geschäft nicht öffnen darf, jedoch zusehen muss, wie umliegende Warenhäuser Schmuck jetzt so-gar als Sonderangebote anbieten? Der seit Wochen kaum mehr verkraftbare Um-satzeinbußen bei weiterhin laufenden Kosten (Personal, Miete, gelagerte Waren, Steuern) hat! Dessen Personal in Kurzarbeit ist oder sogar Kündigungen erhalten hat!
Oder, wie sieht es mit dem Spielwarenhändler aus, der damit leben muss, dass er geschlossen hat, während die Discounter Spielwaren aller Art verkaufen dürfen?
Da nutzt auch mühsam und teuer aufgebauter Online-Handel oder Liefer- und Ab-holservice unserer sehr regen Einzelhändler nichts – die Menschen kaufen diese Artikel bei den Discountern oder in den SB-Warenhäusern, weil es dort einfacher ist.
Das empfinde ich als Wettbewerbsverzerrung.
Es ist übrigens für mich auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht nachvoll-ziehbar, dass Waren, die verteilt auf mehrere Geschäfte in der Innenstadt verkauft werden könnten, nun (nur noch) bei einigen wenigen Discountern oder SB-Waren-häusern direkt erhältlich sind. Dies drängt in der Folge noch mehr Menschen in diese Geschäfte.
Zumindest in unserer Kreisstadt mit einer weitläufigen Fußgängerzone könnten die Hygiene- und Abstandregeln in den Geschäften vielleicht besser eingehalten und überwacht werden als bei den Discountern.
Wir brauchen auch nach der Krise lebendige Innenstädte, wir brauchen starke lokale Einzelhändler!
Sie tragen nicht nur zu einer attraktiven Stadt bei und sorgen für Lebensqualität, son-dern sie sorgen auch für zahlreiche Arbeitsplätze!
Ein in dieser Woche im Saarland stattgefundener Runder Tisch im Wirtschaftsminis-terium hat leider lediglich dazu geführt, dass die SB-Warenhäuser und Discounter auf Werbung für innenstadtrelevante Sortimente freiwillig verzichten und gleichzeitig die Einzelhändler beim digitalen Aufbau von Click & Collect Strategien unterstützt werden sollen.
Nach wie vor dürfen aber die SB-Warenhäuser und Discounter innenstadtrelevante Waren verkaufen – dies empfinde ich insbesondere in dieser für die Einzelhändler schwierigen Zeit als einen untragbaren Zustand.
Ich fordere „gleiche Chancen“!
Auch ohne Werbung ist jedem Käufer klar, dass er in SB-Warenhäusern oder bei Discountern derzeit alles erhalten kann. Es ist bequemer dort zu kaufen, als das im Vergleich zum Direktverkauf mühsame Abhol- oder Lieferangebot bzw. Online-An-gebot der Einzelhändler zu nutzen.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich bitte Sie und die Mitglieder der Bundes- und Landesregierungen daher eindringlich, kurzfristig dieser Ungerechtigkeit entgegen zu wirken, denn mit der derzeit geltenden Verordnung sorgt die Politik aktiv für Un-verständnis bei unserem wichtigen lokalen Einzelhandel. Die bisher geduldig ertra-genen Einschränkungen haben Ausmaße angenommen, die die Existenz vieler be-drohen; es geht für Viele um das pure Überleben.
Daher muss schleunigst gehandelt werden!
Neben einer Gleichbehandlung sind dringend zusätzliche finanzielle Unterstützun-gen für den Einzelhandel erforderlich, denn die bisherigen Gelder reichen bei weitem nicht aus, um diese Ausnahmesituation wirtschaftlich zu überstehen.
Zudem müssen die angekündigten Hilfen noch schneller bei den Einzelhändlern vor Ort ankommen.
Ich bitte Sie außerdem, den Kommunen unbürokratische Mittel zur Verfügung zu stellen, damit nach überstandener Pandemie die Fußgängerzonen und Innenstädte noch weiter an Attraktivität gewinnen.
Denkbar ist in dem Zusammenhang den kommunalen Eigenanteil im Bereich der Städtebauförderung abzusenken, um insbesondere den finanziell angespannten Städten und Gemeinden die Möglichkeit zu geben, ihre Innenstädte zu stärken und noch einladender zu gestalten.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, auch mir ist bewusst, dass diese außergewöhn-liche pandemische Lage eine Herausforderung für uns alle, insbesondere aber für Sie darstellt. Persönlich möchte ich Ihnen danken! Danken dafür, dass Sie aus mei-ner Sicht unser Land in den letzten Monaten hervorragend durch diese Krise geführt haben.
Ich bitte eindringlich um Ihre Unterstützung und bin mir sicher, dass Sie gemeinsam mit den Landesregierungen einen gerechten Weg finden werden und verbleibe
mit freundlichen Grüßen nach Berlin
Marcus Hoffeld
Kopie dieses Schreibens an:
1. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
2. Ministerpräsident des Saarlandes Tobias Hans
3. Wirtschaftsministerin des Saarlandes Anke Rehlinger
text.Marcus Hoffeld
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red.zbs / mp